Montag, 10. März 2008

Warum es keine Moral gibt (1) – Barmherzige Samariter

Theologen (und Theologie-Studenten) sind besonders moralisch, oder? (Weil sie doch Gott gefallen müssen[1] und Gott will schließlich, dass man gut ist und anderen hilft… weil, seine Erde soll nicht zerstört werden und so.)

Jedenfalls entspricht es den üblichen Vorstellungen von Moral, dass moralisches Verhalten sich dadurch auszeichnet, dass man anderen selbstlos hilft, sie achtet und respektiert ohne dabei (zu sehr) auf eigene Interessen zu achten [2].

Der barmherzige Samariter [3], der Typ aus der Bibel der irgendwem der verletzt und ausgeraut am Wegesrand lag geholfen hat, der war demnach wohl moralisch. Jesus hat ihn als Vorbild hochgehalten (weil er eben so toll hilfsbereit war) und Theologen hören auf Jesus (oder?).

Folglich müssten gute Theologen am Straßenrand liegenden, verletzten und ausgeraubten Menschen helfen. (Wenn sie sich nach dem richten, was sie glauben.)

Dazu gibt es ein Experiment [4]. Dabei wurde Theologie-Studenten erzählt, sie müssten einen Vortrag halten, entweder über den Barmherzigen Samariter oder über irgendwas anderes. Der Vortrag sollte in einem anderen Gebäude gehalten werden, damit sie Gelegenheit hatten, einem am Wegesrand sitzenden verreckendem Menschen zu begegnen, dem sie helfen konnten oder auch nicht.

Die Frage war natürlich: Helfen die Studenten oder lassen sie es bleiben? Hören sie auf Jesus oder nicht? Tun sie, was sie selber für moralisch richtig halten? Und wenn ja, wann?

Um rauszubekommen, was die Studenten denn – abgesehen davon dass sie Theologie studiert haben und anscheinend nicht all zu wenig von den Ideen von Jesus usw. gehalten haben – für richtig halten mussten sie vor Beginn des Experiments Fragebögen zu ihrer Einstellung und dazu warum sie religiös sind ausfüllen. Und um herauszufinden welchen Einfluss äußere Umstände (nicht die innere Bereitschaft moralisch oder wie auch immer zu handeln) auf das Verhalten haben wurde der Zeitdruck variiert: manchen Studenten wurde erzählt sie hätten noch ausreichend Zeit, anderen sie hätten noch einige Minuten und wieder anderen sie müssten sich beeilen um rechtzeitig zu ihrem Vortrag zu kommen.

Und wie wars? Die Studenten die „keine Zeit“ hatten einen armen Menschen am verrecken zu hindern habens auch nicht getan. So ein Vortrag ist eindeutig moralisch höherwertig als… irgendwer der da halt so am Wegesrand rumliegt und offensichtlich nicht gestört werden will [5]. Die Einstellung der Studenten zu ihrer Religiosität hatte auch keinen Einfluss darauf ob sie halfen oder nicht. Einen Einfluss hatte nur die Zeit, also ein äußerer Umstand. Wenn sie Zeit hatten halfen sie, wenn nicht halfen sie nicht (auch dann nicht wenn sie über den Samariter einen Vortrag halten sollen).

Anders gesagt helfen sie dann, wenn sie selber wenig Nachteile durch das Helfen haben und dann nicht, wenn sie Nachteile daraus haben. Kosten-Nutzen-Rechnungen sind aber keine Moral. Sie sind auch nicht unmoralisch, sondern das einzig mögliche. Das Interessante daran ist eigentlich auch nicht, dass die Theologie-Studenten nur geholfen haben, wenn die Umstände passend waren (das ist normal), sondern dass sie es ziemlich gut geschafft haben ihre eigene komische Ideologie auszublenden wenn sie gerade nicht passt. Aber eigentlich ist auch das ziemlich normal.



[1] Was eigentlich schon ein eigener Grund ist, dass sie gerade nicht moralisch sind sondern eben nur jemandem gefallen möchten.

[2]
http://de.wikipedia.org/wiki/Moral

[3]
http://de.wikipedia.org/wiki/Barmherziger_Samariter

[4] Darley, J.M. und Batson, C. D. (1973): „From Jerusalem to Jericho“: A study of situational and dispositional variables in helping behavior. Journal of Social Psychology 27: 100 – 119. (
http://faculty.babson.edu/krollag/org_site/soc_psych/darley_samarit.html )

[5] Hier eine tolle moralische Begründung warum das Verhalten der Studenten selbstverständlich richtig war (extra Service): Also, es ist natürlich klar, dass die Studenten schrecklich gerne geholfen hätten, wenn sie nur die Zeit dazu gehabt hätten. Und es war natürlich auch gar nicht so, dass ihnen nur ihr Vortrag wichtiger gewesen wäre, als dem Menschen zu helfen. Das Dilemma war natürlich nur: sie wussten dass ihr Vortrag so toll war, dass er andere Menschen dazu animieren würde am Wegesrand liegende verreckende Menschen zu retten so dass letztendlich mehr Menschen gerettet werden, wenn sie den Vortrag (ob über den Samariter oder was anderes) rechtzeitig halten, bevor die ganzen ungeduldigen Zuschauer schon wieder gegangen sind, anstatt dem Menschen zu helfen. Das ist ironisch gemeint.

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