Eine Frau lag im Sterben, denn sie hatte eine spezielle Form von Krebs. Doch es gab ein Medikament, dass ihr helfen könnte. Ein Apotheker hatte es entdeckt - doch er verlangte viel Geld dafür, zehnmal mehr als ihn die Herstellung des Medikaments gekostet hatte. Heinz, der Ehemann der kranken Frau, ging zu allen Verwandten um das Geld auszuleihen, doch er konnte nur ungefähr die Hälfte zusammensammeln. Er bat den Apotheker ihm das Medikament für seine Frau billiger zu verkaufen, doch der Apotheker sagte: "Nein, ich kann das Medikament nicht billiger verkaufen. Ich habe viele Jahre daran gearbeitet, ich muss meine Mitarbeiter bezahlen, und ich will mit dem Medikament auch Geld verdienen." Heinz war sehr verzweifelt. Er überlegte sich in die Apotheke einzubrechen um das Medikament zu stehlen. Und als er sah, wie es seiner Frau immer schlechter ging, überlegte er nicht mehr lange sondern nahm einen Teil des zusammengesammelten Geldes um die Ausrüstung für einen Einbruch in die gut gesicherte Apotheke zu kaufen. Dann brach er in die Apotheke ein. Doch durch die Alarmanlage wurde der Apotheker geweckt und lief in die Apotheke um nach dem Rechten zu schauen. Heinz, der das Medikament nun unbedingt haben wollte, nahm einen Besenstiel und schlug den Apotheker nieder. Er fand das Medikament und wollte gehen, doch draußen wartete schon die Polizei. Heinz wurde das Medikament wieder abgenommen und er kam in Untersuchungshaft. Währenddessen starb seine Frau. Der Apotheker kam ins Krankenhaus, doch er erholte sich bald wieder von dem Schlag, so dass er an der Gerichtsverhandlung gegen Heinz als Nebenkläger teilnehmen kann.
Am festgesetzten Termin wird die Verhandlung pünktlich eröffnet. Anwesend sind der Richter, der Staatsanwalt, der Apotheker als Nebenkläger, Heinz, sein Anwalt und Verwandte und Bekannte von Heinz, sowie Mitarbeiter des Apothekers als Zeugen.Der Staatsanwalt ließt die Anklagepunkte gegen Heinz vor und der Richter bittet Heinz dazu Stellung zu nehmen.
Heinz sagt: Ich habe nicht viel dazu zu sagen. Ich wollte nur das Leben meiner Frau retten. Sie ist mir mehr Wert als euer Regelwerk.
Staatsanwalt: Das Regelwerk ist das Gesetz! Das Gesetz verbietet Einbruch und Körperverletzung und daran haben auch sie sich zu halten!
Heinz: Sie können über mich urteilen, und mich für das was ich für richtig halte einsperren, aber wirklich verurteilen können sie mich nicht, denn ich weiß auch ohne Ihre Bücher was ich für richtig halte. Mir war das Leben meiner Frau mehr wert als dass ich mich an ihre Richtlinien hätte halten können. Und für mich sind Sie die Mörder, weil sie meine Frau umgebracht haben.
Staatsanwalt: Sie sind der Angeklagte. Sie sitzen auf der Anklagebank!
Heinz: Weil Sie mich hier hingesetzt haben! Weil sie glauben, Ihre Wahrheiten bestünden für alle, weil sie sich so sehr im Recht glauben, wenn sie auf Recht und Ordnung pochen, dabei ist es nur das, was aus Ihrer Perspektive richtig ist - wenn überhaupt. Für mich ist die Gesundheit meiner Frau mehr Wert als die Gesundheit eines Apothekers, den ich kaum kenne.
Staatsanwalt: Sie können sich nicht einfach so über Recht und Ordnung hinwegsetzen. Sie haben nicht nur den Apotheker niedergeschlagen, sie haben auch gegen die Normen der Gesellschaft verstoßen, die das Stehlen verbieten und gegen die Menschenrechte, die jedem körperliche Unversertheit zusichern. Die Apotheker war nicht Schuld an der Krankheit ihrer Frau, er hat sie nicht krank gemacht, doch sie haben ihn verletzt. Sie tragen die Verantwortung für seine Verletzungen, er aber hat nicht die Verantwortung für die Krankheit ihrer Frau.
Verteidiger: Herr Staatsanwalt, mein Mandant hat ethische und moralische Prinzipien, die sich nicht in die Gesetze fassen lassen. Der Wert des Lebens steht für ihn über den Normen der Gesellschaft, die doch vor allem dazu da sind den täglichen Umgang zu regeln aber die auf extreme Situationen übertragbar sind. Er hat für das Leben gestohlen und für das Leben einen anderen Menschen geringfügig verletzt. Seine ethisch-moralische Einstellung verbietet ihm, andere Menschen einfach sterben zu lassen, wenn ihnen so leicht geholfen werden kann.Heinz: Moment, das stimmt doch nicht! Ich habe keine ethischen oder moralischen Überzeugungen, ich tue das, was für mich richtig ist. Das was ich für richtig und angemessen halte. Damit bin ich freier als sie.
Apotheker: Auf meine Kosten! Haben sie auch an meine Freiheit gedacht, als sie mich niedergeschlagen haben?
Heinz: Wenn ich überhaupt gedacht habe, dann höchstens an den Wert den ihre Freiheit für mich hat. Ich bin schnell zu dem Ergebnis gekommen, dass dieser Wert für mich sehr gering ist.
Verteidiger: Herr Richter, Herr Staatsanwalt, sehen sie, mein Mandat richtet sich nach Werten. Es leuchtet ein, dass das Leben mehr Wert ist, als körperliche Gesundheit.
Heinz: Sie liegen falsch. Das Leben ist nicht grundsätzlich mehr Wert als die Gesundheit. Für mich ist nur das Leben meiner Frau mehr Wert als die Gesundheit eines Apothekers, den ich nicht kenne. Natürlich ist dem Apotheker seine Gesundheit und sein Gewinn mehr wert als das Leben einer Frau, die er nicht kennt. Doch das muss mich nicht interessieren.Richter: Können Sie sich nicht in den Apotheker hineinversetzen?
Heinz: Doch, selbstverständlich kann ich das. Ich sehe, wie er wertet, und ich finde es logisch. Er möchte Gewinn machen, das ist nachvollziehbar. Aber das muss mich nicht interessieren, denn der Apotheker hat für mich keinen Wert. Er ist nur einer von 6 Millionen Menschen für mich. Ich frage mich, ob sie sich in mich hineinversetzen können?
Richter: Sie meinen, sie haben impulsiv gehandelt, als sie das Leben ihrer Frau gefährdet sahen ohne noch über den Schaden für den Apotheker und die Folgen für unsere gesamte Gesellschaft, die Gesetzesverstöße nicht tolerieren darf, nachzudenken?
Heinz: Nein, ich würde jeder Zeit wieder das gleiche tun. Natürlich habe ich die Folgen bedacht. Die Folgen für mich.Richter: Nun ist ihre Frau tot und sie kommen ins Gefängnis - damit ist niemandem geholfen.
Heinz: Sie haben Recht. Aber ich kann nicht hellsehen und ich konnte nur hoffen, dass mein Plan klappt. Denn wenn ich gar nicht erst versucht hätte, das Leben meiner Frau zu retten, wäre für mich von vorn herein alles verloren gewesen. Ich wollte es wenigstens versuchen. Meine Frau ist nicht tot, weil ich versucht habe sie zu retten und ich komme nicht ins Gefängnis, weil ich meiner Frau helfen wollte. Ich komme ins Gefängnis, weil der Herr Staatsanwalt andere Wertvorstellungen hat als ich, weil er glaubt, er könnte die Ordnung in der Welt mit dem Gesetz herstellen oder wiedererstellen und weil sie ähnlich denken wie er, und mich dafür verurteilen werden, dass ich gegen ihre moralischen Prinzipien verstoßen habe und mein Problem ihre Welt durcheinanderbringt. Das können sie nicht zulassen und deshalb müssen sie mich in ihrem Interesse "verurteilen". Aber ich nehme ihr Urteil nicht an.
Heinz drückt einen Knopf und sprengt sich in die Luft.
Donnerstag, 21. Februar 2008
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